Mit fortschreitendem Alter gelingt es uns mehr und mehr, unseren Umgang mit anderen Menschen selbst zu gestalten, und somit auch zu bestimmen, was für Energien wir uns aussetzen. Wir suchen uns Freunde.
Die Auserwählten
Vielleicht teilen wir Interessen, vielleicht wollen wir von ihnen lernen oder auch einfach nur nicht alleine sein. Wir haben Schulfreunde, Vereinsfreunde Facebookfreunde und echte Freunde, Menschen, an die wir auch denken, wenn wir nicht mit ihnen zusammen sind und mit denen uns die Seele verbindet.
Auch wenn unsere Freunde selbst gewählt sind, bedeutet das nicht, das wir nicht auch ihnen zuliebe eine größere Liebe einer kleineren Liebe opfern.
"Selbstbetrug"
Ich erinnere mich daran, dass ich mit etwa 19 Jahren meiner neuen Yoga-Clique zuliebe meine Liebe zu einer Exfreundin verleugnet habe. Wir waren nach einem Vortrag auf der Suche nach einem Restaurant. Die Altstadt war voll mit lustigen Leuten, die, leicht alkoholisiert Altweiber-Fassnacht feierten. Meine ehemalige Freundin war mit einem Pulk, hübscher, übermütiger Mädels unterwegs, fröhlich grölend und lachend.
Wir Yogis hingegen waren gerade auf der "stillen Wolke 9" gewesen und hatten für derlei "weltlichen Unfug" nichts übrig. Dennoch habe ich mich sehr gefreut, meine Freundin nach langer Zeit wieder zu sehen, es war immer noch eine tiefe Liebe zwischen uns. Wäre ich dieser gefolgt, wäre ich direkt auf sie zugegangen und wir hätten uns lange umarmt. So, an die Schattenliebe der Zugehörigkeit gebunden, habe ich sie zwar begrüßt, aber ich konnte in ihrem Blick sehen, dass meine Zurückhaltung ihr wehtat; und mich selbst verletzte ich auch. Ich fühlte mich, als würde ich emotional die Luft anhalten.
Gemerkt hat das außer mir wahrscheinlich niemand. Ich habe meine Zuneigung zu ihr heruntergespielt, aus Angst, ihr Verhalten würde bei den anderen "Cliquen-Mitgliedern" Missfallen ernten.
Die Norm ist nicht unbedingt gut
Situationen wie diese kennt jeder aus der Schule, wo Mobbing und Gruppendruck zu Anpassung und Mitläufertum führt. Nicht jeder bringt den Mut auf, seine Zugehörigkeit zu riskieren, um zu den eigenen, höheren Werten zu stehen. Schön ist das nicht, aber doch sehr normal.
In diesen Situationen haben wir zwar schon das Bewusstsein für einen freieren Grad an Liebe, opfern aber diese Erkenntnis einer unbewussten Angst vor Ablehnung durch die, die uns vielleicht eine zwar weniger schöne, aber dafür vertrautere Form der Liebe anbieten. In meinem Beispiel war es auch Zugehörigkeit, oder in der entsprechenden Liebessprache: Sichtbarkeit und Anerkennung ("Hey, Du hast Dich irgendwie verändert", "man erkennt Dich gar nicht wieder", "Das passt gar nicht zu Dir!" "Solche Leute kennst Du?") Diesen und anderen Formen der Schattenliebe wollen wir heute auf die Spur kommen.
Forschen
Nimm Dir Deine selbst gewählten Beziehungen vor. Fühle in Dich hinein und schaue, welche Qualität die jeweilige Beziehung hat. Hast Du inzwischen ein Gespür für diese seltsame Mischung aus Anziehung und Aversion entwickelt, die wir hier Schattenliebe nennen? Sie ist immer ein Hinweis auf Wachstumspotential. Und keine Angst: Es geht nichts verloren, was echt ist, nur Illusionen lösen sich auf!
Bis morgen
alles Liebe
Stephan
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